Heute Morgen, kurz nach 8:00 erreichte mich die SMS. Françoise, meine langjährige Freundin schloss zum letzten Mal ihre Augen.
Es war abzusehen. Die Chemo, die sie schon über ein Jahr über sich ergehen ließ, hatte nicht die gewünschte Wirkung. Ich hatte sie noch vor ein paar Tagen besucht. Doch ich hätte nicht gedacht dass jetzt so schnell gehen würde…
Sie mochte nicht wenn man Bilder von ihr machte. Sie sah sich nicht gern auf Fotos. Das letzte Foto von ihr das ich habe, entstand letztes Jahr an meinem 50. Geburtstag.
Ich lernte Françoise in dem kleinen Kinoshop vom Utopia kennen, den sie regelmäßig betreute. Es war ihr Beitrag als Mitglied der Utopiagruppe, eine Bande von Filmfreaks die es weit gebracht hatten, und ein Kino mit 5 Sälen aufgebaut hatten. Damals konnte sie noch an Krücken gehen und fuhr selbst Auto.
Sie war einer der letzten Fälle in Luxemburg die an Kinderlähmung erkrankt waren, bevor die Schluckimpfung gefunden wurde und war ab der Hüfte nach unten hin gelähmt.
Ihr erlernter Beruf war Übersetzerin. Sie arbeitete für die EU in der Terminologie Abteilung für Französisch. Manchmal erzählte sie davon welche abenteuerlichen Recherchen sie machen musste, um einen Begriff ins Französische zu übersetzen, was meistens in einer Umschreibung des Begriffes endete. Aber um es zu Umschreiben musste sie selbst verstehen um was es ging. Somit arbeitete sie auch aktiv am Eurodicautom mit.
Weil sie ebenfalls Mitglied des Office du Film war, der für Luxemburg die Filme indizierte (in Deutschlad ist das die FSK) fuhr sie jedes Jahr nach Cannes zum Filmfestival um sich schon vorab eine Menge Filme anzusehen. Das ersparte ein wenig Arbeit über das Jahr hinweg. Ich begleitete sie über 10 Jahre dorthin. Ein paar der Festivals habe ich auch verbloggt. (Sucht einfach nach “Cannes” im Blog)
Aus praktischen Gründen war es für Cannes einfacher wenn sie im Rollstuhl saß. Manchmal mussten wir zwischen zwei Filmen je nach Anfangszeiten der Filme regelrecht rennen um in den nächsten Kinosaal zu kommen. Ein anderer Vorteil war, dass das Schlangestehen vor den Sälen entfiel. Somit schafften wir an manchen Tagen 6 Filme. In der Regel waren es meistens fünf.
Es war eine schöne Zeit einmal im Jahr so nah am Geschehen dabei zu sein. Wir mieden mit einer Ausnahme immer die Abendvorführungen bei denen ich einen Smoking tragen müsste. Abends fielen wir Steine in Bett um morgens dann wieder in aller Frühe aufzustehen weil der Erste Film bereits um 8:30 lief. Nach 10 Tagen waren wir völlig k.o. aber voll von neuen Eindrücken aus der ganzen Welt.
Es waren wunderbare Jahre. Wir besuchten am Anfang und am Ende des Festivals immer ihre Freundin Rosemarie in Bedoin bei der wir übernachteten. Ich hatte hier einmal etwas über sie geschrieben. Es war wie ein Ritual, das ich in den ersten Jahren einfach mitmachte, doch danach hätte ich es um keinen Preis der Welt missen wollen.
2006 oder 2007 waren wir zum letzten mal dort. Danach hatte sie einen schlimmen Muskelriss in der Schulter und war komplett an den Rollstuhl gefesselt. Es brauchte über ein Jahr bis er ganz ausheilte. Danach traute sie sich nicht mehr die lange Reise nach Südfrankreich auf sich zu nehmen und das Apartment, das wir jedes Jahr bezogen, war auch nicht komplett Rollstuhl geeignet.
Bis heute versetzt es mir jedes Jahr einen leichten Stich von Wehmut, wenn das Festival in Cannes im Mai losgeht…
Hier zwei Bilder von ihr die ich 2005 in Bedoin machte.
Äddi Françoise
Mein Beileid. 🙁