Fressen, Kunst und Puderquaste

Nationalfeiertag

Von der letzten Nacht, die sich zu Anfang anfühlte, als ob ich sie durchzechen würde, dann jedoch brav um 2:00 Uhr im Bett lag, waren die Auswirkungen bzw. die Nachwehen nicht vorhanden. Das war sehr schön. Ich hatte befürchtet, dass ich noch einmal eine Migräneattacke durchleiden müsste.

Ich schrieb die letzten Sätze des Blogs und skalierte Fotos.

Schönes Wetter. Ich beschloss ins Renert zu gehen, das für die Feierlichkeiten am Vorabend geschlossen war, aber dafür heute geöffnet war.

Und als ich dort saß, den Menschen auf den Platz zuschaute, ließ ich den Gedanken freien Lauf und fing an im Blog zu schreiben.

Ich las zwischen durch in diesem Buch, das ich vor Tagen schon einmal erwähnt hatte:

Darin kam ein Satz von Karl, der auch mir vor Jahren schon schmerzlich bewusst wurde. „De toute façon, tous ceux qui connaissait mon histoire sont plus ou moins au cimetière.“ „Wie auch immer, jeder, der meine Geschichte kannte, ist mehr oder weniger auf dem Friedhof.“

Das ließ mich über meine Geschichte sinnieren und über das Buch von Elke Heidenreich über das Altern nachdenken. Eine Passage die mich ganz besonders traf in dem Buch waren den Hinterlassenschaften gewidmet. Aber dazu komme ich gleich.

Das Buch von Elke Heidenreich ist vor allem eine Ansammlung an Zitaten von großen Schriftstellern, Philosophen und Sängern. Sie setzt deren Zitate oft gegeneinander und prüft, ob sie auf ihr eigenes Leben passen. Denn wenn Heidenreich über das Altern schreibt, dann ist es ihr eigenes Altern, das aber so individuell ist, wie das eines jeden Menschen. Viele Schlüsse, die sie zieht, sind richtig, doch ich bin nicht mit allem einverstanden, was sie sagt. Es hat nicht jeder Mensch, den Tatendrang, wie sie ihn hatte und noch immer hat. Eine Abschnitt jedoch, in der sie über die Rente schreibt und und wie man sich aus dem aktiven Arbeitsleben zurückziehen soll, ist vielleicht die wichtigste Passage aus dem ganzen Buch. Man muss das gründlich vorbereiten. Die guten Vorsätze endlich den Flur neu zu streichen, den Dachboden auszumisten, das Wohnzimmer zu renovieren, reichen nicht aus. Das ganze Lebensmodell muss umgedacht werden.

Kommen wir jetzt zu den Hinterlassenschaften, die ich oben angedeutet habe. Mit Hinterlassenschaften meine ich physische Dinge, die ich geerbt habe. Das Autogramm von Jean Marais das meine Tante von ihm bekam. Die zahlreichen Fotoalben mit Menschen auf den Bildern, von denen ich viele nicht mehr kenne. Die winzig kleine Porzellanvase die meine Mutter einmal auf einem Flohmarkt fand, auf der ihr Name steht. Das letzte bauchige Weinglas, die ich als Kind immer so schön fand, von dem nur noch eines vorhanden ist. Alle anderen gingen zu Bruch. Wenn interessieren diese Dinge noch, wenn ich nicht mehr da bin? Ich kann sie nicht wegwerfen. Das müssen andere tun. Denn mit jedem Stück, dass ich entsorge, kommt es mir vor, als ob ich meine Ahnen noch einmal begraben würde.

Im krassen Gegensatz dazu steht dann aber der Entschluss, den ich mir für diesen Sommer vorgenommen habe. Ich habe vor den Keller und die Garage gründlich auszumisten. Dabei werden so manche Kisten fliegen mit Dingen darin, die ich seit fast zehn Jahren nicht betrachtet oder angefasst habe. Der Großteil davon stammt aus den Häusern und Wohnungen meiner Eltern, Großmutter und Tante. Aber ich will nicht den Wust hinterlassen, den man mir hinterlassen hat.

***

Dieses ganze Grübeln ließ mich trübsinnig werden. Es war schließlich schönes Wetter und ich beschloss, etwas zu unternehmen. Ich ging zurück zur Wohnung, nahm das Auto und fuhr in die alte Heimat. Da ja Nationalfeiertag war, war auch dort ein bisschen mehr los. Auf dem Marktplatz stand eine große Bühne, in der ein Orchester spielte. Drum herum standen Bänke und Tische und Stände mit Würstchen und Bier. Ich traf ein paar alte Schulfreunde, die ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Ich trank mit Ihnen ein paar Bier (alkoholfreie wohlgemerkt) und wir redeten über alte Zeiten, wie man das halt so unter alten Schulfreunden tut. Wir beschlossen, dass es wieder an der Zeit ist, ein Klassentreffen zu organisieren. Das letzte fand 2017 statt. Mit diesem Vorsatz fuhr ich nach Hause.

***

Die No Art On Air Sendung von Samstag, die so lustig war.

2 Kommentare

  1. Trulla

    in wenigen Tagen habe ich wieder Klassentreffen, 60 Jahre nach Schulentlassung. Das machen wir seit dem 50. sogar in jährlichem Rhythmus (dazwischen lagen viele Jahre Pause), weil wir keine Zeit mehr zu verlieren haben.

    Es war bisher meine Aufgabe, die Organisation zu planen, früher immer mit Programm. Nun aber ganz ohne, denn wir sind nur noch wenige “Überlebende” und auch nicht alle gesund genug, so ist relativ offen, wer dabei sein wird. Und deshalb lassen wir die Tagesform und das Wetter entscheiden, wie der gemeinsame Tage verbracht wird. Fest steht nur Ort und Zeitpunkt des Treffpunktes, der für alle, auch von weiter her, erreichbar ist.
    Ein gutes Essen gehört aber immer dazu und zum Glück bietet Hamburg genügend Möglichkeiten, auch ohne Reservierung tagsüber Plätze für eine Gruppe zu bieten.

    Wir fühlen uns immer noch als eine zwar kleine, aber harmonische Gemeinschaft, unabhängig davon, dass unsere Leben sich sehr voneinander unterschieden haben.

    Jedesmal bitte ich einen Passanten, mit meinem Handy ein Foto von uns zu machen – eine kleine Dokumentation sowohl der Freude als auch des Verlustes.

    • Joël

      Das ist sehr schön.
      Ich denke ich muss mal etwas mehr über diese Zeit in der Schule in der der Alten Heimat schreiben. Ein Thema das ich noch nicht so sehr abgearbeitet habe hier.

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