…saß ich in einem Freizeitpark auf der Terrasse eines Schnellrestaurants vor einem auf alt getrimmten Karussell und ließ den Tränen freien Lauf.

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Der letzte Nachtdreh. Abzudrehen ist eine Schlüsselszene des Films auf die alles hinausläuft, die wichtigste Szene schlechthin. Gedreht wird auf einem alten Bahnhof unterhalb von Grenoble, also noch mal fast drei Stunden Fahrt bis dorthin.

Am Abend zuvor hatte meine Mutter mir unter Schluchzen und Tränen am Telefon mitgeteilt dass ihr Hund Petzi sehr krank sei. Er fresse seit zwei Tagen kaum noch etwas und läge apathisch in seinem Korb. Der Hinterlauf würde ihn kaum noch tragen. Sie hätte den Tierarzt gerufen und befürchte das Schlimmste.

Auf der Fahrt nach Grenoble hörte so viele Songs von Michael Jackson, dass ich unentwegt die Radiosender wechselte. Ich dachte an Petzi. Ein Hundemischling zusammengewürfelt aus einem Huski und einem Schäferhund. Petzi war so groß wie ein Huski, sah aber aber aus wie ein Schäferhund mit einer etwas zu klein geratenen Schnautze und besaß den dicken Unterpelz den Huskis gegen die Kälte haben. Meine Mutter rettete ihn gemeinsam mit einer Tierarztin von einem heruntergekommenen Bauernhof im Ösling wo er bereits einmal 12 Junge geworfen hatte und schwer misshandelt worden war.
Als ich ihn zum ersten mal sah, sah ich ein kleines verschüchtertes Etwas das sich unter den Tisch versteckte und mich mit großen erschreckten Augen ansah. Petzi hatte Angst vor mir. Er knurrte mich an und pinkelte vor Angst auf den Teppich. Der erste Mensch zu dem Petzi Vertrauen fasste war meine Mutter. Vor mir hatte er noch lange Angst. Ich sah aus und roch und redete wahrscheinlich wie jemand der ihn misshandelt hatte. Es dauerte Jahre, bis er aus freien Stücken zu mir kam und sich von mir streicheln ließ.
Petzi entwickelte sich zu einem prächtigen Hund, der sich mit allen Hunden der Nachbarschaft vertrug. Er hatte einen Spielkamerad gefunden. Einen alten Rüden in der Nachbarschaft, der, immer wenn er mit seinem Herrchen an der Haustür vorbei ging, von ihnen mitgenommen wurde. Petzi trottete dann stolz neben den alten Rüden ohne Leine mit.
Petzi vertrug sich überhaupt mit alles und jedem.

Und während ich an Petzi dachte, hörte ich dieses Lied im Radio das mir sehr unter die Haut ging.

Y’a comme un goût amer en nous
Comme un goût de poussière dans tout
Et la colère qui nous suit partout
Y’a des silences qui disent beaucoup
Plus que tous les mots qu’on avoue
Et toutes ces questions qui ne tiennent pas debout

Evidemment, évidemment
On danse encore sur les accords qu’on aimait tant
Evidemment, évidemment
On rit encore pour des bêtises comme des enfants
Mais pas comme avant

Et ces batailles don’t on se fout
C’est comme une fatigue, un dégoût
A quoi ça sert de courir partout
On garde cette blessure en nous
Comme une éclaboussure de boue
Qui n’change rien, qui change tout

Evidemment, évidemment
On danse encore sur les accords qu’on aimait tant
Evidemment, évidemment
On rit encore pour des bêtises comme des enfants
Mais pas comme avant, pas comme avant.

Mir war elend zumute. Ich mochte Petzi sehr. In den letzten Jahren wenn ich bei meiner Mutter reinschaute kam er angetänzelt, leckte mir die Hände und sprang bisweilen sogar an mir hoch. Dann kam die SMS von zu hause, dass der Tierarzt Petzi untersucht habe. Er hätte zu viel Wasser eingelagert und sein Herz schlage unregelmäßig. Er hätte jetzt Pillen bekommen und eine Spritze und das Herz zu stärken. Er würde morgen früh noch mal vorbei schauen ob es Petzi besser ginge.

Die Nacht war lang. Ich lag zeitenweise im Zug flach am Boden, während sie von außen den Zug filmten der in der Bahnhof einfuhr. Es war kalt. Die Statisten zitterten bisweilen vor Kälte. Als dann endlich morgens gegen fünf Uhr Drehschluss war, fiel ich wie Stein ins Bett. Ich hatte ein Zimmer in einem Burghotel, das eher an ein Verlies erinnerte als an ein Hotelzimmer. Nur gut dass ich dort nur eine Nacht schlafen sollte.

Vier Stunden später riss mich der Klingelton einer SMS aus dem Schlaf. Warum hatte ich das blöde Handy nicht ausgeschaltet?
Petzi war eingeschläfert worden. Er hatte die ganze Nacht nur geröchelt, bekam kaum noch Luft und litt zusätzlich auch noch an einer Gelbsucht.

Mit Schlafen war es vorbei. Ich zog mich an, bekam so grade noch ein Kaffee im Frühstücksraum, setzte mich ins Auto und fuhr los.

Ein freier Tag, an dem ich nur zurück nach Nantua fahren musste, ansonsten war arbeitsmäßig nichts geplant. Wenn schon, denn schon, dachte ich und beschloss nicht die Autobahn zu nehmen zur Rückfahrt, sondern über die Landstraßen zu fahren und ein wenig die Gegend zu erkunden. Irgendwann fand ich ein Schild auf den WALIBI HAPPY stand. Ach ja, das wäre doch mal eine Abwechslung anderer Art. Mich durch ein paar Loopings von großen Achterbahnen jagen zu lassen und Fast Food fressen. Die Fahrt dorthin ließ mich jedoch an dem Vorhaben immer mehr zweifeln. Es ging über Berg und Tal über Stock und Stein immer tiefer in unbewohntes Hinterland hinein. Ich fing an schwere Zweifel am Navi zu hegen. Doch ich bekam durch kleine Hinweisschilder immer wieder bestätigt, dass ich noch immer auf dem richtigen Weg sei. Na ja, dachte ich, mein Navi lässt mich wahrscheinlich ein Abkürzung fahren. Dem war auch so und die letzten beiden Kiolmeter legte ich über kleinste Feldwege zurück. Aber weit und breit keine hohen Türme oder Attraktionen in Sicht. Bis dann endlich…
Der Park ist wie alle Parks dieser Art völlig überteuert. Kleinkinder haben ihren Spaß, aber für Erwachsene gibt es nur eine größere Achterbahn, den Rest kann man getrost vergessen. Binnen knappen 20 Minuten hatte ich den Park einmal ganz durchlaufen und gelangte enttäuscht wieder am Eingang an.

Und während ich durch die Anlage lief und mich von armseligster Musik berieseln ließ, hatte ich immer wieder einen Satz im Kopf:
On rit encore pour des bêtises comme des enfants
Mais pas comme avant, pas comme avant.

In einer Ecke fand ich ein paar Ponys auf denen Kinder herum reiten konnten. Die Ponys standen traurig und apathisch in einem kleinen Gehege, fix und fertig mit Sattel darauf wartend dass irgendein Kind sie malträtieren würde. Tierquälerei, dachte ich und hatte plötzlich eine unsagbare Wut im Bauch.

Ich ging zum Schnellrestaurant und bezahlte für eine Rindsroulade mit Pommes, ein Toamtensalat, ein Glas Roséwein und ein Kaffee, satte 25 Euro. Es schmeckte mir nicht.
Und als ich mit dem Kaffee, den ich aus einer völlig verdreckten Maschine zog, auf die Außenterrasse setzte, war meine Stimmung am Nullpunkt.

On rit encore pour des bêtises comme des enfants
Mais pas comme avant, pas comme avant.

Pas comme avant.

Und ich dachte an Petzi den ich nun nicht mehr wiedersehen würde, wenn ich nach hause käme. Petzi, der, auch wenn er einen sehr schlimmen Start ins Laben gehabt hatte, bei meiner Mutter ein sehr gutes Leben geführt hatte. Der zu klein geratene Schäferhund, der keinem Mensch oder Tier je ein Leid angetan hatte, war tot.

Pas comme avant

…und ich ließ meinen Tränen freien Lauf.

Äddi Petzi.