Als ich mir diesen Beitrag vornahm, hatte ich den Titel sehr schnell gefunden. Doch wie schreibt man über etwas das nicht ist, das man an nichts festmachen kann, außer vielleicht an Gefühlen? Man könnte auch von Zeitgeist sprechen. Doch wäre es für diese Größenordnung etwas zu hoch gegriffen.
Als ich vor zwei Jahren im Augenblicke Blog (das übrigens bald wieder online sein wird, es sind aber noch ein paar technische Probleme zu lösen) über die Schließung des Philo”soff”s berichtete, hieß der Beitrag “Das Ende einer Ära”, war gespickt mit Fotos des letzten Abend.
Seit ein paar Wochen nun hat das Philo wieder geöffnet und bei Pianocktail gab es ja auch etwas darüber zu lesen. (Bei mir ja auch, wenn auch weniger ausführlich)
Vorletzte Woche war ich am späten Nachmittag dort. Ich wollte in Ruhe die Zeitung durchblättern und einen Kaffee trinken so wie ich das früher immer getan habe. Doch irgendwie ist das nicht mehr möglich. Der monströse Flachbildfernseher zeigte irgendein doofes Fußballspiel, die Musik war Hip-Hop- und technolastig, viel zu laut, und kam aus irgendeiner fürchterlichen Radiostation mit gruseligen Moderatoren und noch schlimmeren Werbeeinblendungen. Lesen war beim besten Willen nicht drin.
Dann probierte ich es letzte Woche noch einmal. Das Café war leer und ich war der einzige Gast. Die Musik kam zu Anfang noch von einem Radiosender, doch dann wurde sie ruhiger. Der Fernseher, der mich so sehr gestört hatte, war aus. Ich saß vorne an einem Fenster las die Zeitung durch und ließ dann irgendwann den Gedanken freien Lauf. Ich sah zum Fenster hinaus. Der Krimskrams Laden gegenüber steht nun auch schon seit über einem Jahr leer, weil angeblich die Besitzer selbst einen Laden dort eröffnen wollten. Bis jetzt ist aber noch gar nichts passiert. Ein großes gähnendes Loch, das eigentlich nicht hätte sein müssen, denn die Ladenbetreiber davor wollten nicht aufhören. Ich fand es schade als Krimskams laden weg war. Es war immer ein tolle Quelle gewesen, für alle möglichen und unmöglichen Toi-toi Geschenke zu Premierenfeiern am Theater.
Und als ich so da saß und die ganze neuartige und befremdliche Deko auf mich wirken ließ, wurde mir bewusst, dass der Geist der seit immer in diesem Mauern geherrscht hatte, verschwunden war. Der “Philo Geist”, der mir einst die besten Ideen, auch für das Blog einflößte, war nicht mehr da.
Es ist mir schon klar, dass alles sich weiterentwickelt, dass nichts stehen bleibt. Und doch sehnt man ab und an nach einem Ort an dem alles so bleibt wie es ist und wie es immer war. Ein Ort an dem man sich wohl fühlt und man sich darauf verlassen kann, dass dort alles stimmt und es immer so bleiben wird.
Das Philo”soff” gehört nicht mehr dazu. Der Geist ist weg.
Ich kenne dieses Gefühl nur zu gut. Als ich 16 Jahre alt war, fingen meine Freunde und ich an, Freitagnachmittags in Art Scène zu gehen. Wir nahmen jedes Mal soviele Leute wie möglich mit, füllten oft das halbe Lokal, kannten schnell die Kellner und die beiden Besitzer mit Namen. Mit zwei Freunden habe ich dann dort meinen 18. Geburtstag gefeiert, für die wir drei nicht nur den ganzen Abend gratis trinken konnten, sondern auch das Café für andere Gäste geschlossen wurde. Dann, vor ungefähr drei Jahren, entdecken Fubus das Café, und es war nicht mehr dort auszuhalten. Mittlerweile sind die zwar wieder weg, aber das Café hat sich nie wieder davon erhohlt. Jetzt gehe ich nur noch manchmal Nachmittags dorthin, sitze am Thresen und plaudere mit den Besitzern und den Kellnern, oder sitze im Sommer draussen auf der Terrasse. Das tue ich aber alles nur noch aus Gewohnheit. Die Zeiten, in denen Musik DVDs auf der großen Leinwand liefen, oder man abends im Schwarzlicht mit Edith Piaf einen Cocktail mit Freunden genießen konnte, sind vorbei.
Nichts bleibt jemals so, wie es ist. Das ist traurig. Aber ich werde das Café immer in guter Erinnerung behalten, denn es hat mir sehr viele schöne Momente beschert. Ich habe dort Freundschaften geschlossen, ich habe mich dort verliebt, ich habe dort Freundschaften zerbrechen gesehen, ich habe dort gelacht und ich war dort traurig.
Die Wahrheit ist: der Geist ist niemals weg. Er zieht nur in die Erinnerung um. Ich habe ein neues Café hier gefunden, das mir all das bietet, was das Art Scène mir einmal gab. Und ich freue mich darüber, wie dieses Café sich langsam mit Erinnerungen füllt.
Ich bin mir sicher, irgendwann wirst du auch wieder ein solches Café finden. Es wird anders sein als das Philo’soff – das gleiche wirst du nie wieder irgendwo finden – aber es wird genau so gut sein.
Mein erster Abend im neuen Philo’soff steht erst noch bevor, von einem Nachmittag ganz zu schweigen. Wenn ich an das Café zurückdenke, so sind es vor allem die Nachmittage sowie die Winternächte die mir in bester Erinnerung geblieben sind. Mindestens drei Mal die Woche zog es mich nachmittags noch zum Philo auf einen Kaffee oder eine Cola ohne Kohlensäure. Es fühlte sich wie ein Zuhause an. Doch auch die Winternächte waren etwas ganz besonderes, wenn man nach ein Uhr alleine durch die klirrende Kälte wankte…