Eigentlich wollte ich das Thema Kindesmissbrauch im Blog außen vor lassen, da sich eh schon genug darüber ausgelassen, und viel Öl ins Feuer geschüttet wird. Es fällt, mir zumindest, dann sehr schwer die Thematik aus einer gewissen Distanz zu betrachten, was aber von Nöten wäre.
Heute morgen sah ich diesbezüglich in 3sat eine Reportage über einen Text von Bodo Kirchhoff der bei Spiegel Online publiziert wurde, der mir offensichtlich entgangen ist.

Sprachloses Kind
Von Bodo Kirchhoff

Die Reportage vom schweizerischen Fernsehen, in der Bodo Kirchhoff von seinem eigenen Missbrauch als kleiner Junge erzählt, machte mich ratlos. Sie geht in eine völlig Denkrichtung, als die, die ich dafür in Anspruch nehmen würde, nämlich lösungsorientiert. Doch bevor ich mir eine Meinung über eine Meinung bildete, lass ich zuerst den Text. (Und das solltet ihr jetzt auch tun bevor ihr weiter lest.) Hier geht’s zum Text.

Ich bin missbraucht worden – ein Wort, das nicht viel taugt, das nicht weiterhilft, das nur die ganze Misere der Sprachlosigkeit zeigt.

Der ganze Sex-Sprachmüll hat die Sprachnot der Betroffenen nicht gelindert, im Gegenteil: Für die schlichte Wahrheit gab es jetzt gar keine Worte mehr. Und lieber behält man intimen Schmutz für sich, als ihn einer schmutzgierigen Welt auszusetzen, die sich nur respektlos erschüttert zeigt.

[…andererseits hat meine Sexualität bis heute etwas Verwahrlostes, einen Mangel an Verbindlichkeit, dem ich ständig sprachlich zu begegnen versuche.

Päderasten sind unbelehrbar, wie alle wirklich Liebenden. In diesem Punkt sind sie dumm, und dumm sind auch die beflissenen Aufarbeiter, wenn sie von damaligen Exzessen sprechen – was Exzesse sind, sollte man beim Marquis de Sade nachlesen. Was mir widerfahren ist, waren Doktorspiele, Ferkeleien, unausgegorener Sex, aber gepaart mit stummer Liebe, einem echten Begehren. Und wer begehrt, begehrt, ob Knabenlippen, die Hüften einer Frau oder das Leid des Gekreuzigten wie der Heilige Franziskus. Da ist jede Entschuldigung nur Theater; wir müssen uns schon selbst verzeihen (und auch selbst entschädigen).

Das sind nur einige Passagen, bei denen ich ratlos war. Ich kann zwar irgendwie nachvollziehen was er damit meint, doch am Ende steht keine Lösung. Und das bringt mich zum Schluss, dass er keine Lösung haben will. Er suhlt sich im eigenen Missbrauch ob der Sprachlosigkeit und der Wut zum Trotz. Und er ist nicht besser als die Welt die er anklagt mit ihrer “respektlosen Erschütterung”, denn er geht ja selbst damit an die Öffentlichkeit und fordert sie dazu heraus.

Ach, wahrscheinlich kann ich, mit meinem festgefahrenen Denkmuster und da mir so etwas nicht passiert ist, gar nicht beurteilen, wie das wirklich ist.
Aber das ist auch typisch für mich.