Fressen, Kunst und Puderquaste

Am Mittagstisch

Es war Anfang dieser Woche. Es war so ein Tag an dem sich die Termine die Klinke in die Hand geben, was ich eigentlich hasse, denn sie bestanden alle nur aus Kopfarbeit. Nun könnte man meinen Job auch als eine gewisse “Kopfarbeit” bezeichnen, doch handelt es sich hier um die wahre Kopfarbeit und nicht die Arbeit “am” Kopf. Es mussten tausend Dinge besprochen werden und mir drehte sich alles. Doch zu meinem Erstaunen viel die letzte Besprechung kürzer aus und ich konnte ein Buisness Lunch in den Terminplan einbauen.
Die Crew des Restaurants kennt mich und ich setzte mich an den Tisch den ich fast immer habe wenn ich dort bin. Vor meinem Tisch saß eine Frau alleine mit dem Rücken leicht schräg zu mir und starrte zur Eingangstür. Ich gab meine Bestellung auf und vertiefte mich in meine Agenda. Ohne hinzusehen spürte ich wie Frau mich ansah. Als ich hochblickte, drehte sie sofort den Kopf und sah wieder zur Tür. “Kenn ich die?…dachte ich einen Augenblick, doch ich verwarf den Gedanken wieder. Sie war eher unvorteilhaft gekleidet mit einem längeren blumigen Oberteil das trotz des Musters seltsam bieder aussah. Auch ihre Frisur schien wie aus den achtziger Jahren. Die “Déformation Professionnelle” lässt grüßen.
Meine Bestellung wurde serviert und ich legte die Agenda beiseite. Während meiner ganzen Mahlzeit sah die Frau angestrengt zur Tür und bewegte sich nicht. Sie bewegte sich keinen Zentimeter, sie schien nicht mal zu blinzeln. “Meditiert die?” überlegte ich. Es war offensichtlich dass sie auf jemand wartete und dieser Jemand hatte Verspätung. Als mir der Hauptgang serviert wurde hatte die Frau sich noch immer nicht bewegt. Sie wurde aber auch nicht weiter bedient. Als ich schon fast fertig gegessen hatte brachte der Kellner ihr die Amusebouche. Es war eine kleine Schüssel mit einer Wintersuppe die ich auch zu Beginn bekommen hatte. Sie aß die Suppe nicht mit dem kleinen beigefügten Löffel, sondern schüttete sie hinunter wie ein Whisky.
Als ich den Kaffee bekam stand die Frau auf und kam an meinen Tisch.
“Warum ignorieren sie mich?”, fragte sie mit leicht zitternder Stimme und hochrotem Kopf.
“…Bitte?”
“Warum ignorieren sie mich?”
“Hä? Ich? Ich ignoriere sie nicht. Warum sollte ich?”
“Ach tun sie doch nicht so! Sie hätten mir gleich sagen können dass es nichts werden wird anstatt mich eine Stunde warten zu lassen.”
Die Frau redete inzwischen so laut dass die Nachbartische darauf aufmerksam wurden.
“Entschuldigen sie aber ich bin nicht mit ihnen verabredet. Ich bin mit niemandem verabredet. Ich kenne sie nicht!”
“Ja ja ja, das sagen alle. Sie sind unmöglich!”
Langsam wurde ich wütend.
“Es ist offensichtlich dass sie ein Rendez-vous hatten und versetzt worden sind. Aber ganz gewiss nicht mit mir. Und jetzt lassen mich bitte in Frieden.”
Die Frau wurde unsicher.
“Sie sind nicht von Happy Relations?”
Bei klingelte etwas im Hinterkopf. Happy Relations, das ist doch…? Link
“Nein, sagte ich, ich bin nicht bei Happy Relations. Ich bin verheiratet und habe Kinder.”
Es war eine knallharte Lüge.
“Oh…oh!”, sagte die Frau drehte sich um ohne ein Wort der Entschuldigung, eilte zur Garderobe, nahm ihren Mantel und ehe der Kellner reagieren konnte war sie zur Tür hinaus.
Der ganze Saal hatte den Vorfall mitbekommen und manch einer musste grinsen.
Der Besitzer des Restaurants den ich recht gut kenne, kam an meinen Tisch.
“So so, du hast Kinder?”
“Ja mindestens ein Dutzend. Mochtest du ein paar davon?”

2 Kommentare

  1. Renée

    Joël, nun mal ehrlich, hast Du dies wirklich erlebt?? Das ist ja ein Ding!

    Renée

    • Joël

      Die Story ist echt!
      Manchmal schreibt das Leben so unglaubliche Geschichten, dass man sie für erfunden hält.

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