Seit anderthalb Jahren ist Tante Gritty nun im Pflegeheim. Sie hat Alzheimer. Ich habe ihre Vormundschaft übernommen. “Ach, wo kommst du denn jetzt her?”, fragt sie mich wenn ich sie besuche. Und dann erzählt sie mir Geschichten die entfernte Jahrzehnte nahtlos mit der Gegenwart verbinden, von Leuten die längst verstorben sind, die sie vorhin noch sah. Es gibt kein gestern, kein heute, kein morgen. Alles ist eins, alles ist jetzt.
Sie weiß nicht dass meine Mutter, ihre Schwester Anfang November gestorben ist. Sie fragt auch nicht nach ihr. Ich habe beschlossen, es ihr nicht zu sagen. Sie waren Geschwister, aber Freunde waren sie nicht.
Ihre Wohnung ist unbewohnt. Seitdem sie im Pflegeheim ist, hatte ich noch nicht dem Mut sie zu räumen. Gestern war ich seit Wochen wieder dort um nach dem rechten zu sehen. Ich ging durch die Räume angefüllt mit Erinnerungen. Ihre Erinnerungen. Zum Teil auch meine Erinnerungen. Fotos von Familienfeiern, an denen es ihr gut ging. Ein Foto wo sie neben ihrem lange verstorbenen Mann steht und die Hochzeitstorte anschneidet. Eine Vase die sie Südfrankreich gekauft hatte. Tausend kleine Einzelteile die ihre Geschichte haben.
Es ist das was bleibt.
Sehr schöner Text, der tief bis ins Herz geht…