Heute las ich in der Zeitung, dass das Gebäude in dem das Restaurant Vesuvio jahrelang beheimatet war, definitiv zu einem weiteren Privatwohnungskomplex umgebaut werden wird und kein Restaurant oder sonstiges Geschäft darin Platz findet. Zugegeben, es war schon eine ganze Weile geschlossen, da die letzen Restaurantinhaber allesamt in Konkurs gingen.
Somit geht eine weitere Ära zu Ende, die viel mit meiner Familiengeschichte zu tun hat. Es war eines der seltenen Restaurants in das wir geschlossen als Familie gingen. Meine Eltern, mein Bruder und ich. Zu der Zeit besaß ein französischer Koch, das Restaurant. Es war zwar eine Pizzeria, doch gab es auch viele französische Gerichte. Es gab spezial Wochen, wie zum Beispiel die Couscous Woche. Dort lernte ich als kleiner Knirps dieses Gericht zum ersten Mal kennen und lieben.
Es war das Restaurant in dem ich auch später unendlich viele Abende verbrachte. Wir feierten dort den 90ten Geburtstag der Großtante, die anschließend auf der halsbrecherischen Wendeltreppe aus dem ersten Stock auf dem Allerwertesten hinunter segelte und sich wie durch ein Wunder nicht einen Knochen brach. Sitzen konnten sie aber wochenlang nicht.
Es war das Restaurant in das mein Bruder mich einlud kurz nachdem mein Vater gestorben war, weil er nicht mehr wusste wie es weiter gehen sollte. Es war einer der seltenen Momente in dem wir uns sehr nahe waren und er überhaupt Nähe zuließ.
Es war das Restaurant wo manche tiefgreifende Entscheidung getroffen wurde.
Es war das Restaurant in dem ich meinen Bruder zu letzen mal lebend sah, als er vergnügt mit ein paar Freunden auf der Terrasse saß und zu Abend aß. Am Tag drauf sah ich ihn im Krankenhaus auf der Bare in der Kühlkammer…
Und so fallen mir unendlich viele kleine Geschichten, gute wie schlechte ein, viele Gesichter aus der Vergangenheit tauchen wieder auf. Mein Lieblingssalat mit lauwarmen Scampis kommt mir wieder in den Sinn…
Ich frage mich warum mich die Endlichkeit der Menschen und Dinge in letzter Zeit so sehr beschäftigt. Hat das etwas mit meinem eigenen Alter zu tun?
Es gab hier in der Stadt ein Café, das vor ein paar Jahren trotz mehrerer Jahrhunderte Geschichte einem Parkplatz weichen musste. Traurig genug an sich, aber es war auch ein Ort an dem ich viel Zeit mit Menschen verbrachte die ich liebte und die ich irgendwann im Laufe der Jahre leider aus den Augen verlor. Als das Café abgerissen wurde, fühlte es sich an als ob jemand meine Erinnerungen an diese Zeiten verletzen würde, und ich werde immer noch jedes Mal traurig wenn ich diese Straße entlang gehe.
Mit dem Alter hat das nichts zu tun, nur mit Menschsein. Wir neigen wohl oder übel halt dazu, Personen und Erinnerungen mit Objekten und Orten zu verbinden, und wenn wir einen solchen Ort verlieren (egal, wie lange wir nicht mehr dort waren), bringt das Erinnerungen zurück und beschäftigt einen.
Ich glaube dass es auch etwas mit dem Alter zu tun hat…
Es gab einen Satz meiner Grossmutter an den ich mich immer erinnern werde. Sie las die Todesanzeigen im LW und sagte: So, jetzt bin ich die Letzte aus meiner Klasse die noch am Leben ist…
Und das Gehühl, der Letzte “seiner Art zu sein” zu sein kenne ich nur all zu gut.