Gestern berichtete die Kaltmamsell von einem T-shirt.
(Jetzt, wo ich es fotografiert habe, kann ich das T-Shirt eigentlich endlich ausmisten; ich trage es nie.)
In mehreren Kommentaren bat man sie es doch nicht wegzuwerfen, es sei doch so ein schönes Souvenir…
Das regte mich zu diesem Beitrag an. Ich habe lange überlegt wie ich dieses Thema angehen könnte, da ich eigentlich auch immer jemand war, der alles hortete, so wie alle in meiner Familie und durch Lebensumstände dazu gezwungen wurde, es nicht mehr zu tun. Aber dazu komme ich noch.
Vor vier Jahren noch, lebte ich im Haus meiner Großmutter (die damals aber schon nicht mehr dort wohnte sondern bei meiner Mutter in einem Bungalow ohne Treppen). Ein riesiges zweistöckiges Haus mit einer großen Essküche, drei Wohnzimmer, zwei Badezimmer, vier Schlafzimmer, zwei Mansarden, zwei Speicherräume, ein Heizungskeller, eine Garage und ein Verschlag mit zwei Etagen. Jetzt lebe ich in einer Wohnung mit 25 m3.
Um von diesem Riesenhaus in eine winzige Wohnung zu ziehen, war es nötig, sehr sehr sehr viel Krempel loszuwerden. Es fing damit an, dass ich nichts an Möbeln in die neue Wohnung mitnahm. Drei Kleiderschränke zum bersten voll, reduzierte ich runter auf einen. Meine gewaltige CD Sammlung digitalisierte ich größtenteils auf zwei mobile Festplatten. Die Vinylplatten Sammlung wurde komplett verkauft. Das einzige was ich mitnahm, waren die Fotoalben, sämtliche Bilder an den Wänden und eine kleine Reihe ausgewählter Bücher.
So lernte ich zum ersten Mal in meinem Leben richtig zu entrümpeln, und ich muss sagen, dass es mir sehr gut getan hat. Manchmal gibt es winzig kleine Momente in denen ich ein paar Dingen nachtrauere, und bedauere dass ich sie nicht mitgenommen habe. Letztens war es der große gusseiserne Topf der Großmutter.
Doch insgesamt war es die größte und wichtigste Entscheidung in den letzten Jahren, so als ob ich damals schon einer inneren Stimme gefolgt wäre, die mich davor schützte was danach kommen sollte.
In den letzten Jahren starb alles dahin was ich noch an Familie besaß. Ich musste zwei Häuser und eine Wohnung ausräumen und bin zum Teil immer noch dabei. Das Haus der Großmutter ist seit einem Jahr verkauft und abgerissen, weil dort ein Appartementhaus entsteht. Das Haus der Mutter ist soweit leer, es müssen nur noch die Entrümpler kommen. Dort habe ich auch lediglich die Fotoalben, die Super8 Filme meines Vaters (die inzwischen digitalisiert sind) und die Ölbilder der Großmutter väterlicherseits behalten. In der Wohnung meiner Tante war ich noch rigoroser. Dort sind es lediglich die Fotoalben, die ich aber schon zum Großteil aussortiert habe.
Ich habe mich schon oft gefragt wie es um mich stünde, hätte ich damals diesen Schritt von Haus in meine jetzige kleine Wohnung nicht getan. Ich wäre wahrscheinlich in all dem Mobiliar, Souvenirs und Erinnerungen erstickt. Erstickt an Erinnerungen, die nicht die meinen sind, sondern von Verstorbenen. Erinnerungen die mich den Rest meines Lebens in der Vergangenheit festgehalten hätten.
Versteht mich nicht falsch. Des Ausräumen von Häusern und Wohnungen von Menschen die man liebte, ist eine schwersten Aufgaben die man je auferlegt bekommt. Und ich versuchte, es nie alleine zu tun, was aber nicht immer möglich war. Ich bin oft unter Tränen zusammengebrochen, dass ich nicht weiter machen konnte.
Mein Aufruf an euch alle :
Hinterlasst euren Liebsten so wenig wie möglich an Kram und Zeug und entrümpelt regelmäßig sämtliche Schränke und Dachböden. Ihr werdet viel freier im Kopf werden, und euch Luft und Platz für neue Ideen schaffen. Die Nachfahren werden es euch danken. Denn Erinnerungen und Souvenirs sind nicht materieller Art, sondern im leben im Kopf und im Herzen.
Weise Worte. Danke.
Mir geht es ähnlich – weil sich in mir nichts rührt, wenn ich diese Dinge als Ding in der Hande halte oder vor mir sehe. Bei vielen Fotos ist das anders, aber auch hier zählt nicht die Materialität (Papierabzug mit gewellten Kanten), sondern der Inhalt – der kann (inklusive gewellter Kanten) gerne digital sein. Doch Menschen sind verschieden, und wem es etwas gibt, die Dinge als Dinge um sich zu haben – der soll auch dem nachgeben dürfen.
Nur schwer kann ich mir vorstellen, wie es ist, eine ganze Familiengeschichte auszusortieren. Das Wegwerfen mag gleichzeitig leichter und schwerer fallen, wenn es keine mehr gibt. für die es etwas aufzubewahren gälte.
Für wichtig halte ich hingegen Aufbewahren durch Aufschreiben – ich freue mich auf noch viele Geschichten der Joël-Vorfahren.
“…Für wichtig halte ich hingegen Aufbewahren durch Aufschreiben…”
Das gilt auch für mich.
Und genau n diesem Sinne fiel mir ein Auftrag vor 14 Tagen in den Schoß. Ich soll mit ein paar weiteren durchaus renommierten Schriftstellern, nächsten Monat auf dem Abend “Word in Progress” lesen.
Das macht macht jetzt schon leicht nervös, weil ich seit gefühlten 100 Jahren nicht mehr vor Publikum gelesen habe.
Ich werde Sie auf dem Laufenden halten….