Das hier wird ein etwas längerer Beitrag werden. Ich hatte ihn schon teilweise geschrieben bevor ich nach Berlin musste.
Es fiel mir am Mittwoch Abend auf, dass ich noch nie etwas über Fabrice geschrieben habe. Dabei kenne ich ihn schon so lange und zähle ihn zu meinen besten Freunden.
Fabrice ist mit Leib und Seele Barmann. Seit kurzem arbeitet er in einem Restaurant, das eine kleine sehr gemütliche Bar im ersten Stock eingerichtet hat. Die Idee dahinter ist, dass man dort zuerst gemütlich sein Apérértif zu sich nimmt, um anschließend im Restaurant etwas zu verspeisen.
Man kann aber auch in der Bar bleiben und ein paar sehr leckere Tapas ordern. Es sind kleine Häppchen die aber nur den Namen nach mit den original spanischen Tapas etwas gemeinsam haben. Sie sind eher an die französische Küche angelehnt. Das Restaurant heißt “La P’tite Maison” und befindet sich an gleicher Stelle an der sich das legendäre Opéra befand. Nun hat im ersten Stock die Bar eröffnet und hier regiert Fabrice.
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Als ich ihn vorgestern besuchte, war es wie in alten Zeiten…
Fabrice sah ich zum ersten mal in einer Bar am Boulevard Royal, Anfang der 90er, als es noch kein großes Loch und eine unendliche Baustelle war. Sehr viel später sah ich ihn dann wieder als er seiner erste eigene Bar eröffnete. Wir wurden Freunde. Ich hatte schon begonnen vom alten Beruf zum Maskenbildner umzusatteln, und ich ging regelmäßig nach den Sommervorstellungen des Kasemattentheaters dorthin. Als in der Oberstadt vom damaligen Bürgermeister entschlossen wurde, dass keine Bar mehr länger als 1:00 Uhr nachts geöffnet sein dürfte, brach es ihm finanziell das Genick und er musste schließen.
Kurze Zeit später wurde er mein Nachbar in der alten Heimat.
Es war zu einer Zeit in der ich schon länger Maskenbildner war und quasi jeden Tag in die Hauptstadt fuhr zum Arbeiten. Ich pendelte zwischen zwei Welten von der die eine nie richtig die meine gewesen war, und die andere war so nah und doch 35 km entfernt. Ich hatte zu der Zeit wenig Freunde, und die, die mir in der alten Heimat geblieben waren, sah ich kaum noch.
Und plötzlich war Fabrice da und riss mich aus meinem Alttagestrott, aus allem was trist und langweilig war. Ich lernte seine engsten Freunde kennen und er nahm mich mit zu den wildesten Partys. Und plötzlich gab es wieder, wie in meinen wilden 20ern, durchtantzte Nächte bis zum Morgengrauen. Dezente morgendliche Kater, die gepflegt werden mussten. Ich hatte das Gefühl ich würde wieder leben.
Ich lernte einen anderen Fabrice kennen.
Ich kann mich an ein Weihnachten erinnern, an dem er in meinem Elternhaus zu Gast war. Meine Mutter war noch gesund. Die PSP Krankheit hatte schon Anlauf genommen, (wir sollten erst viel später erfahren dass es sich um diese Krankheit handelte) doch sie konnte noch alles selber regeln. Sogar Autofahren ging noch. Sie machte ihren legendären Lammbraten. Es war das letzte Mal dass sie ihn machte…
Fabrice brauchte ein paar Jahre um wieder finanziell auf die Beine zu kommen, doch er schaffte es. Es ging langsam aber sicher bergauf.
Er verhalf dem Banana’s zu neuem Glanz und plötzlich lief die Bar wieder wie geschmiert. Dort entstand das Konzept von der Bar in der Bar. Und die Bar in der Bar, für die Fabrice verantwortlich war, war an manchen Abenden besser besucht als die eigentliche Bar.
Fabrice ist überhaupt als Barmann ein Phänomen. Er hat eine treue Anhängerschaft an Freunden und Bekannten die ihm bedingungslos überall hin folgen. Es war somit kein Wunder, als die Side Bar ihn einstellte, diese plötzlich nur so brummte und jeden Abend zur Apéro Zeit gerammelt voll war. Es waren schöne Jahre und ich denke gerne an die Side Bar Zeit zurück.
Die Side Bar wurde jedoch an einen anderen Besitzer verkauft, und ab da ging stimmte die Chemie nicht mehr. Fabrice ging und die Bar schloss für lange Zeit.
An einen sehr traurigen Tag möchte ich noch erinnern, an dem ich ihm sehr dankbar bin, dass er für mich da war. Es war das Begräbnis meiner Großmutter. Als sie urplötzlich starb war ich nicht da. Ich war in Recklinghausen und mit einem Theaterstück beschäftigt. Ich fuhr noch in der gleichen Nacht zurück um alles zu regeln, doch etwas hatte ich übersehen. Als der Tag des Begräbnisses kam, hatte ich kein Lokal vorgesehen. Doch waren so viele gekommen, dass ich nach dem Gottesdienst etwas unternehmen musste. Fabrice kümmerte sich in Windeseile um alles und organisierte uns einen großen Tisch nicht all zu weit vom Krematorium entfernt in einem Restaurant. Es waren viele Freunde mitgekommen.
“Was trank Oma denn gerne?”, fragte er.
“Protwein.”
Und als die erste Runde an Getränken kam stand in der Mitte vom Tisch, ein kleines Glas Portwein und alle prosteten der Großmutter zu. Es war in mitten all der Trauer, der Tränen und der innerlichen Leere, ein Lichtstrahl der alles erhellte. Ich glaube es hätte Großmutter gefallen.
Merci Fabrice. ♥
Das liest sich nach einem wunderbaren Freund, wie sie einem nur selten geschenkt werden – und an seinen Freunden erkennt man den Menschen.