Thérèse wurde an einem Sonntag in Luxemburg im Stadtviertel Bonneweg geboren und kam als letzte vom fünf Kindern zur Welt. Sie hatte eine Schwester und drei Brüder. Thérèse wurde mitten im ersten Weltkrieg geboren, aber davon weiß sie nichts mehr. Sie wollte es zu etwas bringen im Leben. Eine gewisse Abenteuerlust hat sie immer verspürt. Sie machte das große Staatsexamen in Betriebswirtschaft. Anschließend arbeitete sie eine Weile als Zahnarzthelferin. Der Zahnarzt wollte sie mitnehmen zu einer Expedition nach Afrika um dort in einer Mission zu arbeiten. Doch Thérèses Vater ließ sie nicht gehen. Er war ein bodenständiger Schreiner, der seine Kinder lieber um sich sah, als dass sie weit fort wären in der wilden gefährlichen Welt. Man könnte ihnen etwas antun. Thérèse selbst sprach lange wehmütig davon dass sie nicht fort durfte, doch heute hat sie selbst die gleichen Ängste wenn eine ihrer Töchter oder Enkelkinder für längere Zeit wegfahren.
Wie sie ihren Mann kennengelernt hat weiß ich nicht genau. Es muss auf einem Fest gewesen sein. Emile war gute zwei Köpfe größer als sie und sah stattlich aus. Thérèse war seit jeher immer die Kleinste der Geschwister gewesen aber versuchte dies mit ihrer Unabhängigkeit und ihrem Aussehen wett zu machen. Sie trug lange bevor es eine Mode wurde, lange Hosen. Wenn man sie auf Fotos sieht mit ihren Geschwistern, kam sie immer etwas burschikos rüber. Aber gerade das war ihr Charme und das schien auch Emile zu gefallen. Emile war Bäcker und stammte aus Beaufort, einem Dorf das durch seine Schlossruine bekannt ist. Sie heirateten und Thérèse zog mit Emile kurze Zeit später nach Beaufort wo sie eine Bäckerei eröffneten. Thérèse war zu Anfang nicht glücklich dort. Sie war das Stadtleben gewöhnt und musste sich jetzt in einer kleinen Dorfgemeinde zurecht zu finden, in der sie als die “Grande Dame” der Stadt angesehen wurde. Man beäugte sie misstrauisch, doch Thérèse setzte sich durch. Kurze Zeit später wurde sie Mutter. Oft erzählt sie, dass die Geburt der zweiten Tochter sie beinah das Leben gekostet hätte. Doch sie rappelte sich wieder auf und stand ein paar Wochen später wieder hinter der Theke und verkaufte Brot und andere Backwaren. Die zweite Tochter kam mitten im zweiten Weltkrieg zur Welt und es keine leichte Zeit.
Gegen Schluss des Krieges holte Hitler noch einmal zu einem letzten verzweifelten Schlag aus. Die Rundstedt-Offensive. Es traf auch die kleine Bäckersfamilie und sie mussten in der Nacht mit ein paar wenigen Habseligkeiten mit einem Karren nach Luxemburg zu Fuß fliehen. Sie wurden zwangsumgesiedelt. In Luxemburg wies man ihnen eine kleine Wohnung zu. Thérèse redet nicht gern von der Zeit, da sie große Angst hatte. Nach dem Krieg bekamen sie, wieder Zufall es wollte, eine Bäckerei in Bonneweg zugewiesen, und fingen dort noch einmal von vorne an. Als die jüngste Tocher zehn Jahre alt war, verstarb Emile an einer Infektionskrankheit. Es war ein Schock für alle. Thérèse stand nun allein da, mit einem großen Bäckereibetrieb mit sechs Gesellen und Lehrlingen. Es blieb ihr nicht anderes übrig weiter zu machen. Sie führte den Betrieb noch ganze zwei Jahre weiter, bis der Hauptgeselle sich dazu entschloss, eine eigene Bäckerei zu eröffnen.
Und somit fing Thérèse noch einmal von vorne an. Mit ihren zwei Töchtern übernahm sie eine Konfektionsboutique am anderen Ende der Stadt in Dommeldange. Sie hat nach Emile nie wieder geheiratet, was das Vorankommen nicht leichter machte. Eine alleinstehende Frau mit zwei Kindern war damals wie heute kein Zuckerschlecken. Doch sie krempelte die Ärmel hoch und die Boutique wurde ein Renner. Sie organisierte große Modeschauen und machte den großen angesehenen Boutiquen in der Oberstadt Konkurrenz. Sie hatte die Boutique dreißig Jahre lang. Als sie in Rente ging, kaufte sie sich ein Haus in Echternach, da dort ihre jüngste Tochter mit ihrem Mann und zwei Söhnen wohnte. Sie lebt heute noch dort.
Heute ist wieder Sonntag und es ist Thérèses Geburtstag. Sie wird 95.
Und Thérèse ist meine Großmutter.
Alles Gudds fir däin Geburtsdaag, Bomi.
Was für eine Lebensgeschichte. Schön geschrieben!