Tritt gegen den Hinterkopf

Eine Einladung lag in meinem Briefkasten.
Darin stand:

Lieber Joel,
Vor 30 Jahren ging unsere gemeinsame Primärschulzeit in Echternach zu auf ihr Ende zu.  Darum haben wir, Marie-France M. und Jerry S. uns gedacht, dass es an der Zeit wäre unser erstes Klassentreffen der Jahrgänge 66/67 zu organisieren. Wenn du Lust und Zeit hast deine alten Schulkameraden wiederzusehen und ein paar lustige Geschichten von damals zu erzählen weißt, wären wir froh dich am 27.Juni im Hotel de la Sûre, begrüßen zu können…

Im Vorfeld hatte Alain, der Besitzer des Hotel de la Sûre, der auch zu diesem Jahrgang gehört, dass so etwas in Vorbereitung wäre. Die Einladung überraschte mich also nicht wirklich.

Gestern Abend saß ich nun bei Alain in der Bar und er zeigte mir alte Klassenregister der Jahrgänge und verschiedene Fotos. Mir war als ob man mir mit dem Fuß gegen den Hinterkopf getreten hätte und irgendwo purzelten ein paar vergessene Bücher aus einem alten, verstaubten Regal heraus.

Mir kam dieses Video in den Sinn:

Patrick Bruel – Place des Grands Hommes

Ich gebe zu, es ist eine idealisierte Vorstellung eines Klassentreffens und es gibt ja auch reihenweise Filme zum Thema. Aber als ich eben das Video sah, hatte ich einen Kloß im Hals. Es wäre schön wenn es so ablaufen würde.

Es wäre noch schöner wenn ich dabei sein könnte. Aber am 27. Juni werde ich mit der Filmcrew in irgendwo in Frankreich sitzen.
Schade.

Nachtrag 21.05.2009:  Gestern erfuhr ich von einem Schulfreund, der vom ersten bis zum sechsten Schuljahr in meiner Klasse war, dass er nicht kommen wird. Er hätte schon mal vor Jahren eine Einladung zu einem Treffen erhalten (seltsam dass ich die damals nicht bekommen habe) und dort wäre er auch nicht hingegangen.  Er hätte keine Lust weil er (und das kann ich zum Teil bestätigen) nie zu einer Clique gehört hätte, und er  oft das Ziel von Spott und Verhöhnungen derer gewesen wäre und er die nicht wiedersehen möchte.

„Hoppla“, dachte ich. Das bin ich ja auch gewesen und das so sehr, dass meine Eltern zwei oder dreimal einschreiten mussten. Und als ich mir eben die Fotos auf Facebook anschaute und was aus manchen heute geworden ist, nehme ich stark an dass wahrscheinlich viele nicht kommen werden.

Erinnerung

Vor einigen Tagen las ich diesen Beitrag in Kein illegales Tagebuch, und es erinnerte mich an eine ähnliche Geschichte in meinem Umfeld.

Es war zu meiner Schulzeit als ich noch in der Pantomime Gruppe war. Diese Gruppe war recht erfolgreich und war, wenn auch nur indirekt, in zwei verschiedene Gruppen geteilt. Die jüngeren und die älteren Schüler. Eine der jüngeren Mädchen hieß Tessi und es war im Nachhinein ein kleines Wunder dass ihre Eltern es damals erlaubten. Tessi empfand ich zu der Zeit immer als etwas schüchtern und zurückhaltend, aber immer nett. Als Tessi dann ins Lycée kam wurden ihr sämtliche außerschulische Aktivitäten verboten. Aus was für einem Grund weiß ich nicht, aber sie durfte überhaupt nichts mehr, außer zuhause vor ihren Schulbüchern sitzen und lernen. So zumindest erzählte mir später einmal eine ihrer Freundinnen. Und eines Tages war Tessi plötzlich verschwunden. Sämtliche Medien berichteten darüber und es erschienen große Aufrufe, ob jemand Tessi gesehen hätte. Sie war sechzehn. Doch niemand wusste wo sie war. Sie hatte ihren Freundinnen in der Schule schon oft gesagt, dass sie es zuhause nicht mehr aushalte. Sie blieb wochenlang verschollen. Keiner hörte etwas von ihr.
Dann kam die traurige Nachricht. Man hatte sie gefunden in einer Halle beim Hafen in Rotterdam. Sie hatte sich erhängt. Sie hatte kurz nach Schulschluss das ganze Geld von ihrem Sparkonto abgehoben und war sofort mit dem nächsten Bus in nach Luxemburg-Stadt zum Bahnhof gefahren, um dort in den nächstbesten Zug zu steigen, der sie ins Ausland brachte. Von dem Geld was sie besaß lebte sie eine Weile. Es weiß jedoch niemand wie und wo, noch unter welchen Umständen….

Ich weiß noch dass ich damals dachte, was für schreckliche Eltern das doch waren und was für eine Angst Tessi gehabt haben muss, dass sie lieber den Freitod wählte, als zurück zu gehen.