Fressen, Kunst und Puderquaste

Die Montagsfrage 5

Jeden Montag stelle ich eine Frage, die ihr in eurem Blog beantworten könnt. An welchem Tag der Woche ihr das macht bleibt euch überlassen. Am Ende des Postings sammelt Mr. Linky die Einträge aus eurem und aus anderen Blogs und es wäre nett wenn ich mich verlinkt.

Was war dein größter Misserfolg / Fehlschlag und was hast du daraus gelernt?

Rückblickend gesehen war es die Übernahme und Eröffnung eines eigenen Friseursalons.

Wir schreiben das Jahr 1992.
Ich hatte in den Jahren davor beständig das Gefühl dass ich auf dem Abstellgleis stehe, das ich irgendwo falsch abgebogen war, bzw. dass man mir eine falsche Weiche gestellt hatte und ich voll wissentlich darauf abgebogen war. Ich war nicht dort wo ich sein sein sollte. Der Einfluss des elterlichen Hauses spielte dabei die größte Rolle. Heute weiß ich dass ich mich viel früher hätte dagegen auflehnen sollen.

Ich arbeitete damals in einem Salon in der Hauptstadt, bei einer völlig durchgeknallten Friseurmeisterin, die einen zweiten Salon eröffnet hatte im Bahnhofsviertel und für diesen eine Fachkraft gesucht hatte, die den Salon leiten könnte. Ich hatte die Stelle angenommen obwohl ich innerlich wusste dass es nicht lange gut gehen würde. Ich kannte die Inhaberin von früher und ihr Ruf eilte ihr voraus. Nach nicht einmal neun Monaten kapitulierte ich und ich sah mich nach etwas Neuem um.

Durch einen Bekannten schaute ich mir an einem Abend in einem kleinen Dorf an der Mosel an Laientheaterstück an und lernte anschließend die Friseurin des Dorfes kennen, die sich um die Maske der Darsteller gekümmert hatte. Sie erzählte mir dass sie ihren Salon gerne abgeben möchte, denn mit mit zwei Kleinkindern plus Haushalt plus ihren kranken Eltern, die sie teilweise pflegen musste, würde sie das nicht mehr schaffen.
Mir kam das damals wie eine göttliche Lösung vor, denn das Wort “Unabhängigkeit” glänzte groß vor meinen Augen. Es leuchtete so sehr dass es alles ausblendete was mich hätte davor warnen sollen. Der Salon war in ihrem Haus im Erdgeschoss und die Räumlichkeiten wollte sie vermieten. Die Einrichtung jedoch wollte sie an mich verkaufen. Ich stellte bei der Bank einen Kreditantrag, die ihrerseits meine Kreditwürdigkeit prüften auch die letzten Jahresbilanzen des Salons. Die Bilanzen, vor allem die letzte sah blendend aus. Was daraus aber nicht hervorging war, dass sie nur so gut aussah, weil sie im Jahr davor einen kleineren zweiten Salon, den sie ebenfalls leitete, gewinnbringend verkauft hatte. Das war in der Bilanz so nicht ersichtlich.

Heute weiß ich, dass ich vieles übersah und die vielen kleinen roten Lämpchen die hier und da aufflackerten, nicht wahrnahm. Vor allem die Höhe der Miete hätte mich zurückschrecken lassen sollen. Doch die Verlockung endlich auf eigenen Beinen zu stehen war zu groß.

Als ich dann den Salon endlich hatte, merkte ich sehr schnell dass er heruntergewirtschaftet war. Stammkunden gab es fast keine mehr. Zudem war ich der Außenseiter und Eindringling in einer eingeschworenen Dorfgemeinschaft und man betrachtete mich mit Argwohn.

Ich ackerte ohne Unterlass, wie ein Besessener, vier Jahre lang quasi ohne einen Tag Urlaub um dem Laden am Laufen zu halten. Doch ich scheiterte.

Es war eine Erfahrung, die mir finanziell noch über lange Jahre hinweg das Leben schwer machte. Aber letztendlich sind es die schlechten Erfahrungen aus denen wir die wichtigsten Lektionen fürs Leben lernen. Eine weitere Folge davon war, dass ich jegliche Motivation für den Beruf verloren hatte. Und auch wenn ich danach noch ein paar Jahre darin arbeitete, war die Freude daran weg.

***

Unten könnt ihr eure Antwort eintragen. Mister Linky kann nur Englisch und kennt daher keine ü, ä und ö oder gar é, ê und è. Auch mein ë von Joël mag er nicht. Schreibt entweder Umlaute wie ae ue oder oe und lasst sämtliche Hütchen und Häkchen weg. Wenn ihr es doch tut bildet er nur ein blankes Feld ab.


1 Kommentar

  1. Trulla

    Ich bin gar nicht sicher, ob ich meinen freiwilligen Abbruch eines Studiums als Misserfolg oder Fehlschlag bewerten sollte. Andere mögen das so vielleicht so sehen. Immerhin hat dieser Versuch dazu beigetragen, mir Klarheit zu verschaffen, wer ich eigentlich bin und wie ich letztlich zu leben wünsche.

    Ich konnte diesen Weg gehen, und auch für diese Möglichkeit bin ich meinen Eltern sehr dankbar. Mein Elternhaus war reich an Liebe, eingeschränkt an materiellen Gütern, aber an Liberalität und Toleranz zu damaligen Zeiten kaum zu übertreffen!
    Dieses Rüstzeug hat mir vermutlich die derzeit so gern beschworene “Resilienz” geschenkt und später geholfen, einen wirklichen Schicksalsschlag zu verkraften.

    Grundsätzlich glaube ich, dass in der Rückschau vieles anders, eben reflektierter bewertet wird als in der jeweiligen Situation.

    Wie Sie, leiwe Joel, richtig schreiben: man lernt am Leben!

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